Schafe, Kühe, Heu - Landwirtschaft in Island
Neben Islandpferden sind die wollig runden Schafe der Insel der wohl bekannteste Anblick auf den Wiesen Islands. Aber die Landwirtschaft erschöpft sich nicht nur in Schafzucht, obwohl die Bedingungen für den Ackerbau unter dem wechselhaften kalten Himmel eher ungünstig scheinen …
Góðan daginn liebe Nordland-Freunde,
Fährt man die Ringstraße entlang, kann man an ihren Rändern die vielen kleinen und größeren Farmen sehen, mit ihren Ställen und Feldern. Oft befinden sich auf den Höfen auch Gästehäuser, wo die Islandreisenden das Landleben kennenlernen und die Besitzer vom Tourismus profitieren können. So ist man ganz schnell hautnah dran an Schafzucht und Feldarbeit auf Island …
Ackerflächen oder Lavafelder?
Durch die hohe vulkanische Aktivität, die sich überall auf der Insel zeigt, ist Island zu großen Teilen von Lavafeldern und Aschewüsten bedeckt. Das Hochland in der Mitte Islands besteht ebenfalls aus landwirtschaftlich nicht nutzbaren Landschaften: Vulkane, Berge, Felswüsten. Auch die Gletscher haben das Land geformt, sodass weitere Fläche unter ihrer kilometerdicken Eisschicht begraben ist. So sind nur die tiefer liegenden Gebiete an den Küsten und in den Fjorden nutzbar. Hinzu kommt, dass das Klima am Rande des Polarkreises nicht gerade förderlich für den Anbau vieler Nutzpflanzen ist. So beschränken sich die Nahrungserzeugnisse auf der Insel seit jeher auf Kartoffeln, Rüben und Kohl. Der Getreideanbau ist nur in einem sehr begrenzten Maß möglich und stark ortsabhängig. Etwas unter 20 Prozent der isländischen Landfläche werden als Weideland genutzt. Um die Tiere den Winter über zu ernähren, wird im großen Stil Heu geerntet. Aufgrund all dieser Einschränkungen ist es nicht verwunderlich, dass viele Bauern lange Zeit auch Fischer waren, um weitere Nahrungsquellen zu nutzen. Zusätzlich sammeln heute noch viele Bauern Daunen aus Eiderentennestern auf ihrem Land, um die teuren Federn als Füllmaterial für exquisite Bettdecken zu verkaufen. Den Tieren entsteht dabei kein Verlust, denn die entnommenen Daunen werden entweder durch Heu ersetzt oder erst nach der Brutsaison gesammelt.
Robuste Haustierrassen - die abgehärteten Begleiter der Wikinger
Das Islandschaf ist der unangefochtene Star unter den Nutztieren Islands. Es liefert Fleisch, Wolle und Milch, wobei die Tiere heute größtenteils nicht mehr gemolken werden. Von den ersten Siedlern der Wikingerzeit wurde es auf die Insel gebracht und hat sich seitdem hervorragend an das harsche Klima angepasst. Zusammen mit den Islandpferden verbringen die Schafe den Sommer freilaufend – im Herbst werden sie beim alljährlichen Schafs- und Pferdeabtrieb wieder von den höheren Weideflächen gesammelt, in speziellen Pferchen sortiert und ihren Besitzern übergeben. Viele der Lämmer werden dann geschlachtet, denn ihr Fleisch ist eine Delikatesse und Bestandteil der meisten isländischen Rezepte sowie ein wichtiges Exportgut. Vor allem dank des Islandschafs ist Island, was die Fleischerzeugung angeht, fast vollständig autark. Zwar werden auch Schweine auf der Insel gehalten, deren Fleisch macht jedoch längst nicht so einen großen Teil aus wie das Lammfleisch. Die übrigen Lämmer und die Mutterschafe, von denen es ungefähr 490.000 gibt, verbringen den Winter dann im Stall und werden mit Heu gefüttert, bis der Frühling beginnt. Die Wolle der Schafe ist besonders dicht und besteht aus zwei Schichten: dem oberen, gröberen Deckhaar Tog und der weichen Unterwolle Þel. Die charakteristischen Islandpullover (isländisch Lopapeysa) wurden ursprünglich für den Eigenbedarf hergestellt, erfreuen sich aber seit langem großer Beliebtheit bei den Touristen. Ein Schaf kann am Tag einen bis drei Liter Milch geben, die in der Vergangenheit zu Butter, Skyr und Joghurt verarbeitet wurde.
Mittlerweile haben aber Milchkühe die Schafe in dieser Funktion abgehängt. Sie entsprechen nicht mehr den Tieren, die die Wikinger mit nach Island nahmen, denn im Laufe der Zeit kamen dänisches Milchvieh und schottische Hochlandrinder dazu, durch deren Einschlag sich die Milchleistung verbesserte. Das ist auch gut so, denn Island hat mit 189 Litern im Jahr den höchsten pro-Kopf-Verbrauch auf der Welt. Die rund 73.000 Rinder auf der Insel haben also einiges zu leisten. Viele der Milchbetriebe sind bereits modernisiert, sodass sich die Kühe im Stall frei bewegen und mancherorts sogar selbst entscheiden können, wann sie die Melkmaschinen aufsuchen – allerdings ist es trotzdem immer wieder schön zu sehen, wie die Tiere sich beim ersten Weidegang nach dem Winter freuen und Luftsprünge machen.
Es gibt aber auch Haustierrassen, die seit ihrer Ankunft bei der Landnahme selten geworden sind, wie das Landnahmehuhn und die Islandziege. Das Isländische Landnahmehuhn wurde lange sowohl auf Fleisch- als auch auf Legeleistung gezüchtet und hat sich darüber hinaus dem isländischen Klima und den dortigen Bedingungen angepasst. Nach der Einführung von Hybridhühner nach dem zweiten Weltkrieg, die wesentlich leistungsstärker waren, ging der Bestand der Landnahmehühner stark zurück. Durch den Einsatz einiger engagierter Züchter sind nun aber wieder mehrere Tausend Exemplare in verschiedenen Ländern vertreten. Die bunten Tiere legen im Jahr bis zu 200 Eier und sind sehr lauffreudig. Ihre Robustheit hat sie auch außerhalb ihrer Inselheimat beliebt gemacht.
Ein weiterer selten gewordener Anblick ist die Islandziege, die ursprünglich wohl aus Norwegen stammt und bis zum 19. Jahrhundert überall auf Island gehalten wurden, obwohl sie nie annähernd so großen wirtschaftlichen Nutzen hatte wie das Islandschaf. Ende des 19. Jahrhunderts dann sank ihre Zahl auf weniger als 100 Tiere, die Art drohte auszusterben. Zwar erholte sich der Bestand in den darauffolgenden Jahrzehnten, mittlerweile ist die Islandziege aber wieder bedroht, denn es gibt momentan nur etwa 400 Exemplare. Viele davon leben auf der einzigen Ziegenfarm Islands, Háafell im Borgarjörður, die 2014 durch Spenden vor dem Konkurs gerettet werden konnte. Viele dieser Spenden verdanken sie übrigens Fans der Serie Game of Thrones – dort hatten einige Islandziegen einen Gastauftritt (Staffel 4, Folge 6).
Moderne Entwicklungen
Auf dem Land gibt es noch immer unzählige Farmen, die mit den landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Milch, Fleisch, Eiern und Feldfrüchten ihr Einkommen bestreiten. Durch die Modernisierung und den Einsatz von Maschinen in der Verarbeitung hat sich allerdings die Anzahl der in diesem Sektor Beschäftigten reduziert. Außerdem haben sich neue Möglichkeiten ergeben, wie durch die vermehrte Nutzung von Gewächshäusern, die mit Erdwärme auf einer angenehmen Temperatur gehalten werden und so eine Eigenproduktion an Tomaten und Gurken erlauben. Zwar sind diese meist etwas teurer als importiertes Gemüse, schmecken aber auch besser. Eine der größeren „Tomatenfarmen“ ist Friðheimar, wo jährlich etwa 370 Tonnen Gewächshaustomaten geerntet werden und man bei Führungen den Anbau und auch Geschmack der Früchte kennenlernen kann. Geringe Teile der isländischen Gemüseerzeugnisse werden auch auf die Färöer-Inseln und nach Grönland exportiert. Auch beim Heuexport sind die Isländer mittlerweile vertreten. Alles, was nicht auf der Insel selbst für die vielen hungrigen Mäuler im Winter benötigt wird, tritt seine Reise in andere europäische Staaten an, die ihre Anbaufläche mehr für Getreide nutzen, oder hilft den Färöern, trotz ihrer geringen Fläche genug Heu für ihre Tiere zu bekommen.
Ihr wart schon einmal beim Schafabtrieb dabei oder habt ein isländisches Gewächshaus besucht? Dann hinterlasst uns doch einfach einen Kommentar. Wir freuen uns auf eure Erlebnisse und Ideen.
Verið blessuð liebe Nordland-Freunde, Euer contrastravel-Team
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