Norwegische Einwanderer - Islands Rentiere
Vor allem im Osten Islands stößt man manchmal auf prächtige Geweihe, die Hüttenwände oder Wohnzimmer zieren. Stammen sie von Jagdausflügen auf dem Festland oder gibt es eine ähnlich abenteuerliche Geschichte dahinter? Weit gefehlt, denn auch auf der Vulkaninsel selbst findet man Geweihträger aus den Tundren des Nordens …
Góðan daginn liebe Nordland-Freunde,
Was haben die bekannten Weihnachtsgeschichten um Rudolph und Santa Claus, das Märchen um die Schneekönigin von Hans Christian Andersen und der beliebte Animationsfilm Frozen gemeinsam? Überall spielen Rentiere eine zentrale Rolle. Wer schon immer davon träumt, sie in freier Wildbahn zu erleben, kann mit etwas Glück sogar auf Island-Reisen auf seine Kosten kommen.
Steckbrief Rentier:
Das Ren oder Rentier gehört zur Familie der Hirsche und ist eines der am weitesten nördlich lebenden großen Säugetiere. Es ist heute zirkumpolar in großen Teilen Eurasiens und Nordamerikas verbreitet und auch auf einigen arktischen Inseln heimisch. Je nach Verbreitungsgebiet gibt es Unterschiede in Größe und Gewicht sowie in der Färbung. Die Tiere können eine Schulterhöhe von 90 bis 130 Zentimetern haben und wieder zwischen 60 und 300 Kilogramm. Ihr Fell zeigt verschiedene Varianten von graubraun, silbern und weiß. Rentiere sind die einzigen Hirsche, bei denen sowohl Bullen als auch Kühe ein Geweih tragen, wobei das der weiblichen Tiere deutlich kleiner ist und nicht wie bei Männchen im Herbst, sondern erst im Frühjahr abgeworfen wird. Als Herdentiere schließen sie sich für ihre Wanderungen im Jahresverlauf zusammen und können so beeindruckende Herdengrößen von üblicherweise bis zu 100.000 Tieren umfassen: die weltweit größte dokumentierte war in den 1980er Jahren die George-River-Herde, zu der 900.000 Tiere gehörten. Außerhalb der Wanderungen sind die Tiere in kleineren Verbänden von 10 bis 100 Tieren unterwegs. Diese Gruppen bestehen entweder nur aus Weibchen oder Männchen und die strenge Hierarchie wird zuweilen durch Kämpfe entschieden, die wie einstudierte Rituale wirken. Große Rentierherden in Nordnorwegen, -schweden und Finnland werden meist von Samen betreut, können sich jedoch frei bewegen. Wirklich wilde Rentiere gibt es nur noch in Nordnorwegen in sehr kleinem Umfang.
Wie die Rentiere nach Island kamen
Die Nordlandbewohner mit Geweih gehören nicht zu den auf Island heimischen Tierarten, denn bis zur Ankunft der norwegischen Siedler stellte der Polarfuchs noch das größte Säugetier dar. Doch auch nachdem die ersten Langschiffe Schafe und Pferde mitbrachten, die die Insel fortan in großer Zahl bevölkern sollten, dauerte es noch lange, bis Rentiere ihre gespaltenen Hufe auf isländischen Boden setzten. Im Jahr 1771 beschloss der norwegische König, dem Volk auf der kargen Vulkaninsel die Fleischversorgung zu erleichtern und schenkte Island 13 Rentiere zum Aufbau einer Zucht. Eine scheinbar gute Idee, denn das Klima würde für die robusten Tiere kein Problem sein und sie waren auch nicht auf warme Ställe im Winter angewiesen. Allerdings wurde die Nutzung der Rentiere eingeschränkt, da die isländischen Bauern nicht als Nomaden mit ihnen umherzogen, wie es beispielsweise die Samen taten, um immer in der Nähe ihrer halbwilden Herden zu sein. So nahm die Zucht nie wirklich Fahrt auf, die Tiere erlangten keine große wirtschaftliche Bedeutung, und die verbleibenden Rentiere siedelten sich wild überall auf Island an. Verschiedene Faktoren sorgten dafür, dass bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts fast alle Herden verschwanden und nur die Bestände im Hochland Ost- und Nordost-Islands erhalten blieben. Auch danach schwankte die Zahl der Tiere, heute jedoch ist sie recht hoch und lag im Frühjahr 2017 bei rund 7000 Exemplaren.
Mensch und Rentier heute
Da Rentiere auf Island keine natürlichen Feinde haben – es bräuchte schon ein ganzes Rudel Polarfüchse, um eines überhaupt zu bedrohen – werden die Tiere bejagt, um eine unkontrollierte Vermehrung und eine Schädigung der Vegetation zu verhindern. 1849 wurden die Tiere zum ersten Mal zum Abschuss freigegeben, seither werden im Herbst Jagdlizenzen verlost. Diese sind begehrt, denn wer in der Jagdzeit vom 15. Juli bis zum 15. September ein Rentier erlegen darf, kommt in den Genuss des besonders mageren Wildbrets und kann zusätzlich noch das schöne, dichte Fell nutzen. Für Islandreisende sind Rentiere ein seltener und interessanter Anblick, denn durch die Bejagung haben die ohnehin wild lebenden Vierbeiner eine gesunde Scheu vor Menschen entwickelt. Meist kommen sie nur im Winter hinunter in die Ostfjorde, wenn ihr Lebensraum im Hochland selbst für sie zu unwirtlich und nahrungsarm wird. Es gab auch schon Sichtungen bis in den Südosten, zwischen der Jökulsárlón und Höfn, und einzelne Gruppen sollen manchmal den ganzen Sommer in tieferen Lagen verbringen. Im Osten Islands ist daher auf der Ringstraße auch Vorsicht vor Rentieren geboten, die bei Straßenüberquerungen zeigen, dass sie weniger Angst vor Autos als vor Menschen haben. Die besten Chancen, den Tieren zu begegnen, hat man generell in den Gebieten um den Vulkan Snæfell herum, außerdem bei Vesturöræfi und Brúaröræfi. Um die Bewegungen der Rentierherden besser nachvollziehen und erforschen zu können, sind mittlerweile 14 Kühe mit GPS-Sendern ausgestattet und werden so vom East Iceland Nature Center überwacht. Momentan wird vor allem ergründet, ob die Flutung einiger Weidegebiete am Snæfell durch den neuen Stausee Hálslón die Tiere dazu bewegt, sich vermehrt in den Ostfjorden aufzuhalten und wie sich dies auf ihr Leben auswirken könnte.
Ihr hattet schon einmal das Glück, Rentieren im Osten Islands zu begegnen oder habt weitere Anregungen zu dem Thema? Dann hinterlasst uns doch einfach einen Kommentar. Wir freuen uns auf eure Erlebnisse und Ideen.
Verið blessuð liebe Nordland-Freunde, Euer contrastravel-Team
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